Meine Irrlichterforschung
Hausaufgabe der Nachtschule Mai 2001
Fach: Gralsunder Dämonologie
Aufgabe 31: Warum leben die Klabautergeister ausschließlich auf der Klabauter-Insel?
| zurück zur Hauptseite |
Meine Großmutter erzählte mir früher mal folgende Geschichte:



Weit, weit entfernt von hier”, ich lag damals in meinem Bett zu Hause in Atlantis, "noch hinter den Land der Grinsekerlchen befindet sich eine verwunschene Bucht."
Meine Oma machte große Augen und flüsterte, „Die Irrlichterbucht”, wobei sie das ‘R’ so rollte, daß ich am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam, mir die Decke bis unter die Nase zog und mein Plüschhorchlöffelchen ganz fest an mich drückte.
„In dieser Bucht leben die Irrlichter, die kleine Kinder, die nachts nicht schlafen wollen und umherwandern in die Irre führen, auf daß diese nie wieder nach hause finden! Also, bleib schön in Deinem Bettchen und schlaf gut, kann dann Dir auch nichts passieren.”

Ich fand die Geschichte eigentlich immer eher faszinierend als wirklich beängstigend, blieb aber normalerweise meiner Oma zu Liebe im Bett.
Am nächsten Tag schlug ich in meinem Kinderlexikon dann “Irrlichter” nach.




„Irrlichter sind eigentlich ganz normale Friedhofsmotten, wie es sie so gut wie überall in Zamonien gibt. Wird eine dieser Motten von einem Blitz getroffen, verwandelt sie sich in ein Irrlicht. Sie kann dann nicht mehr sterben, muß aber in der Nähe von Wasser sein. Am häufigsten kommen Irrlichter in der sogenannten Irrlichterbucht vor, da häufig Ausläufer der Finsterberggewitter bis in die Friedhofssümpfe reichen. Da Irrlichtern auf Grund ihrer Unsterblichkeit oft langweilig ist, haben sie ihr für andere Lebensformen gefährliches Spiel begonnen.”




Irgendwie verlor ich allerdings schnell das Interesse an der Irrlichtforschung, weshalb ich mich nicht weiter damit beschäftigte.

Einige Wochen später jedoch, hörte ich auf dem Heimweg von der Schule etwas, was meinen Forscherdrang für kurze Zeit wieder entfachte. Es war das Gefluche von Irgendjemandem. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, sondern weiß nur noch, daß es um Irrlichter, Klabautergeister und deren Beziehung zueinander ging. Ich konnte mir zu der Zeit wenig darunter vorstellen und fand die Idee recht absurd, so daß meine Neugier in der Sache nur relativ kurz anhielt.

Als ich die Hausaufgabe nun sah, war mir klar, wo ich am besten Nachfragen ginge. Es war zwar gewagt, weil Irrlichter auch nicht gerade nette Gesellen sind, aber immer noch besser als die Klabautergeister selbst zu fragen. Und auf die Aussagen irgendwelcher Bücher wollte ich mich diesmal auch nicht verlassen.
Der Entschluß war gefaßt, ich würde mich zur Irrlichterbucht begeben.
Ich fragte also einen befreundeten Rettungssaurier, ob er mich nicht mal eines Abends dorthin bringen könne, denn würde ich laufen, wäre ich mindestens eine Woche unterwegs. Friedbert erklärte sich natürlich sofort dazu bereit. Naja, nicht wirklich sofort, ich mußte ihm erst versichern, daß ich auch "ja nix Gefährliches" machen würde, aber das kennt man ja von Rettungssauriern.
Er brachte mich also in der Dämmerung an die Südküste Zamoniens und wir machten ab, daß er mich am nächsten Morgen wieder abholen solle. Nachdem Friedi sich wieder auf den Heimweg gemacht hatte, machte ich mich mit einem roten Wortfaden, den wir in mühevoller Erzählarbeit in der Raucherecke gesponnen hatten, an einem großen Felsbrocken fest.
Als die Nacht herein gebrochen war, fingen die Irrlichter an, über dem Wasser zu tanzen. Mal erschienen sie mir als ein entferntes Lagerfeuer, von dem ein fröhliches Stimmengewirr zu mir herüberschallte, mal als erleuchtete Fenster eines Hauses, und ich meinte herrliche Essensdüfte wahrzunehmen, und mal als eine Fackel, die von einem weiblichen Wesen mit einer lieblichen, engelsgleichen Stimme getragen wurde.
Irgendwann schien jedoch zumindest eines der Lichter zu bemerken, daß ich nicht auf ihre Verlockungen hereinfiel und ihnen folgte. Das stimmte zwar nicht ganz, in Wirklichkeit hatte mir meine selbstangelegte Leine ein-, zweimal das Leben gerettet, aber davon wußten die Irrlichter ja nichts. Dieses Licht kam also neugierig auf mich zu und ich wußte, daß meine Geduld nun mit einem Gespräch belohnt werden würde.

„Waßß ißßt loßß mit Dir??”, fragte das Lichtchen.

„Och nichts...”, fing ich an, „Ich wollte Dir eigentlich nur mal ein paar Fragen stellen.”

„Fragen? Und dafür kommßßt Du eckßßtra hier raußß? ... Alßßo, na gut, FRAG!”

Das Irrlicht flackerte aufgebracht. „Klabautergeißßter? Dießße Typen waren ßßchon ab und ßßu mal hier. ßßie heulten jedeßßmal ßßchrecklich. Außßerdem lügen ßßie!”

„Lügen? Wieso Lügen? Was erzählen sie denn so?”

„Ach weißßt Du, ob Dußß glaubßßt oder nicht, auch ein Irrlichterleben kann mal langweilig werden. Außß dießßen Grund dürfen ßßich alle Irrlichter, die über 50 Jahre alt ßßind, auf die Gelobte Inßßel tßßurück tßßiehen.”

„Aha, eine gelobte Insel. Wo ist die denn, und wie sieht es da aus?”

„Beideßß weißß ich nicht. Die Überlieferung ßßagt, daßß man, wenn eßß ßßo weit ißßt von ßßelbst dahinfindet. Ich weißß nur, daßß der erßßte Teil deßß Wegeßß direkt nach Weßßten führt. Und wie eßß dort außßßßieht, kann Dir auch niemand ßßo genau ßagen. Eßß ißßt dort ßßo ßßchön, daßß noch keiner von dort tßßurückgekehrt ißßt.”

„Nach Westen? Also über die Friedhofssümpfe?!” Mir schwante Schreckliches. „Hast Du schon mal davon gehört, daß auch Irrlichter nicht unsterblich sind??”

„Jetßßt fängßßt Du auch noch damit an!!”, stöhnte es, „Alßßo mir reichtßß, ich gehe.”

Und ehe ich meine Erklärung zu Ende bringen konnte war es verschwunden.




Sollte es also sein, daß die heutigen Irrlichter der Irrlichterbucht die Klabautergeister von morgen sind?
Und verkriechen sie sich nur auf der Insel, weil es ihr lebenslanger Traum gewesen ist? Oder weil sie nicht mehr in der Irrlichterbucht aufgenommen werden?
Ernähren Klabautergeister sich von Trauer und Traurigkeit, um von ihren eigenen Gefühlen abzulenken?




Man müßte wahrscheinlich ein Klabautergeist fragen.
Da diese Zeitgenossen aber nur heulen und kein vernünftiges Wort herausbringen, wird es wohl ewig ein Geheimnis bleiben.
| zurück zur Hauptseite | 03.06.2001